Nachdem Papst Leo Xlll. am 15. September 1879 seine Zustimmung zur Eröffnung des Haupt-verfahren gegeben, dauerte es wieder mehr als 50 Jahre, bis die Ritenkongregation die Frage über das heroische Tugendleben Pallottis geprüft und im positiven Sinn beantwortet hatte. Papst Pius Xl. Gab am 24. Januar 1932 seinen diesbezüglichen Erlass öffentlich bekannt. Damit war der Hauptschritt zur Seligsprechung getan, wenigstens von menschlicher Seite her. Nun musste zum glücklichen Abschluss des Prozesses nur noch eine Bedingung erfüllt sein, die indes Gott allein erfüllen kann: ein zweites Wunder.
Zu einer Seligsprechung werden nämlich mindestens zwei offenkundige Wunder gefordert, die nach dem Tode des Dieners Gottes auf seine Fürbitte hin erfolgt sein müssen. Ein erstes hatte sich schon Ende des ver-gangenen Jahrhunderts ereignet: Die sofortige Heilung eines Schädelbruchs. Aber das zweite Wunder liess lange auf sich warten. Und doch ist es noch zur rechten Zeit gekommen. Es er-eignete sich am 12. September 1947 in der Oberpfalz in Deutschland. Eine Frau lag 17 Jahre lang an multipler Sklerose gelähmt darnieder. Verschiedene Ärzte hatten sie als unheilbar erklärt. Durch Krankenbriefe von Schönstatt wurde die arme Kranke zu einem grossen Vertrauen auf Pallottis Hilfe ermuntert. Sie hielt sechs Novenen um Genesung.
Am 12. September 1947, am Fest des heiligen Namens Mariä, gegen neun Uhr vormittags, fühlte die kranke Frau auf die Anrufung Mariens und Pallottis plötzlich geheilt. Sie stand auf, konnte sich seit 17 Jahren zum erstenmal wieder auf die Füsse stellen und schritt im Zimmer auf und ab, nicht nur einmal, sondern wohl gegen vierzigmal. Von dieser Stunde ankonnte sie ohne Hilfe gehen und alle Hausarbeiten verrichten, leichte wie schwere. Nach eidlicher Aussage der Aerzte steht fest, dass die Frau nicht mehr die geringste Spur von multipler Sklerose aufweist und vollständig geheilt ist.
Der kirchliche Gerichtshof, der den Fall sehr eingehend prüfte, kam zur Überzeugung, dass es sich hier um ein offenkundiges Wunder handle. Damit war die letzte Bedingung zur Seligsprechung Pallottis erfüllt und der Heilige Vater, Pius Xll., hatte die Güte, den Tag der Seligsprechung auf den 22. Januar 1950 festzulegen, womit Vinzenz Pallotti der erste Selige des Heiligen Jahres sein wird.
So ist es durch ein geradezu greifbares Walten der Vorsehung geschehen, dass Vinzenz Pallotti auf den Tag genau hundert Jahre nach seinem Tode zur Ehre der Altäre erhoben wird.
Als wunderschöne Fügung dürfen wir es betrachten, dass das zweite Wunder, das langerbetete, gerade noch zur rechten Zeit, man kann sagen, im letzten Augenblick kam, damit der Prozess noch vor dem Heiligen Jahr zum Abschluss gebracht werden konnte, und dass diese Wunder sich in Deutschland und an einem Mitglied der Schönstatt-Bewegung ereignete, gleichsam als göttliche Anerkennung und Belohnung dafür, dass die Gründung Pallottis bis jetzt in Deutschland und gerade durch die Schönstatt-Bewegung die grösste Förderung, ja eine eigentliche Wiedergeburt erfahren hat.
Eine schöne Fügung ist es auch, dass in diesem Heiligen Jahr 1950 der 22. Januar, der Todestag Pallottis, gerade auf einen Sonntag fällt, so dass die Seligsprechung, die immer an einem Sonntag oder Festtag stattfindet, auf den Tag genau mit dem 100. Todestag Pallottis zusammenfällt. Wer wird angesichts dieser Tatsachen und Fügungen nicht mit jubelndem Herzen das Te Deum anstimmen: «Grosser Gott, wir loben Dich!»
A.Z (P. August Ziegler) in Rosenkranz Nr. 1 1950 Seite 27