"Künstliche Intelligenz – ethische Überlegungen"
Am Samstag nach Aschermittwoch fand die Tagung am Friedberg zum hochaktuellen Thema "Künstliche Intelligenz – ethische Überlegungen" statt. Rund 100 interessierte Personen nahmen daran teil und verfolgten mit grosser Aufmerksamkeit den Vortrag von Prof. Dr. Peter G. Kirchschläger, Ordinarius für Theologische Ethik und Leiter des Instituts für Sozialethik an der Universität Luzern sowie Gastprofessor am ETH AI Center.
Der Referent erläuterte in verständlicher Weise die ethischen Herausforderungen, die mit datenbasierten Systemen einhergehen. Er zeigte auf, dass KI grosse Fortschritte ermöglicht, die früher unerreichbar schienen und nannte die medizinische Diagnostik oder die Unterstützung von Menschen mit Behinderungen.
Die Effizienzsteigerung durch KI sei aber nicht automatisch gut oder schlecht. Sie müsse ethisch reflektiert werden und dürfe nicht allein an wirtschaftlichen Interessen ausgerichtet sein. Ein erster Schritt zur bewussten Auseinandersetzung sei darum die präzise Wahl der Begriffe: Ist "künstliche Intelligenz" der passende Ausdruck? "Künstlich", so Kirchschläger, sei korrekt, da es sich um eine geschaffene Technologie handle. Doch ob diese tatsächlich "intelligent" sei, bleibe fraglich.
Ein wichtiges Thema war die Unterscheidung zwischen kognitiver und emotionaler Intelligenz. Während datenbasierte Systeme in logischen Ableitungen oder in Rechenprozessen überlegen seien – etwa in Schachspielen, wo selbst die besten menschlichen Spieler gegen Computer verlieren – bliebe die emotionale und soziale Intelligenz aussen vor.
Ein Pflegeroboter könnte auf Befehl weinen, wenn ein Patient weint, aber dies wäre eine blosse Nachahmung, keine echte Empathie. Ebenso könnte ein Roboter eine Ohrfeige geben, wenn dies im Programm vorgesehen wäre, ohne das ethische Dilemma dahinter zu erkennen.
Auch moralische Entscheidungen könne ein datenbasiertes System nicht selbst treffen. Ein selbstfahrendes Auto könnte programmiert werden, um schnellstmöglich von A nach B zu gelangen, aber ohne explizite Vorgaben würde es nicht erkennen, dass es keine Menschen überfahren soll. Menschen müssen darum solchen Systemen moralische Regeln vorgeben.
in zentrales Problem der KI ist der Umgang mit Big Data. Wir Menschen seien nicht in der Lage, diese riesigen Datenmengen sinnvoll zu verarbeiten – dafür seien Algorithmen notwendig. Doch weder Daten noch Algorithmen sind neutral oder fair. Sie können bestehende gesellschaftliche Vorurteile verstärken. Menschen haben ebenfalls Vorurteile, doch sie besitzen die Fähigkeit zur kritischen Reflexion – etwas, das Maschinen fehlt. Deshalb sei es essenziell, ethische Rahmenbedingungen zu schaffen, um die negativen Effekte datenbasierter Systeme zu begrenzen.
Ein weiteres brisantes Thema war die Doppelverwendung (Dual-Use) von Technologien. Gesichtserkennung beispielsweise, könne sowohl für Sicherheitszwecke als auch zur Massenüberwachung missbraucht
werden. Politische Manipulation durch personalisierte Inhalte oder wirtschaftliche Ausbeutung durch gezielte Werbung sei ebenfalls eine besorgniserregende Folge unkontrollierter
KI-Entwicklung.
Zudem wurde die ökologische Belastung durch KI-Systeme thematisiert: Der immense Energie- und Wasserverbrauch sei ein oft vernachlässigter Aspekt, so Kirchschläger. Ein Beispiel: Eine einfache
Anfrage an ChatGPT – ein Text mit 400 Worten kann bereits 1,5 dl Wasser verbrauchen.
Prof. Dr. Kirchschläger plädierte dafür, datenbasierte Systeme menschenrechtskonform zu regulieren. Die Behauptung, Regulierung behindere Innovation, sei irreführend. Vielmehr könnten klare ethische und rechtliche Rahmenbedingungen eine nachhaltigere und gerechtere Entwicklung der KI fördern.
Ein Vergleich wurde dabei zur Atombombe gezogen: Auch hier gab es massive Widerstände gegen Regulierung, doch internationale Vereinbarungen haben Schlimmeres verhindert. Eine ähnliche Initiative für datenbasierte Systeme sei dringend notwendig, beispielsweise durch eine internationale Agentur unter dem Dach der UNO.
Der Vortrag stiess auf grosse Resonanz. Trotz der Ernsthaftigkeit des Themas waren die Teilnehmenden begeistert von der Klarheit und Verständlichkeit seiner Argumentation. Viele Fragen wurden gestellt, und das Bewusstsein für die ethischen Herausforderungen der KI wurde geschärft.
Beim anschliessenden Apéro riche wurde intensiv weiterdiskutiert und sich ausgetauscht.
Die nächste Tagung am Friedberg findet am Samstag nach Aschermittwoch, am 21.02. 2026 statt. Das Thema wird rechtzeitig bekannt gegeben.
Wir danken allen Teilnehmenden und insbesondere Prof. Dr. Peter G. Kirchschläger für seinen wertvollen Beitrag!
P. Andy Givel, Provinzial